Unser Körper ist von Natur aus dafür gemacht, intensive, aber kurze Stressphasen auszuhalten und danach zur Ruhe zurückzukehren. Erleben wir jedoch zu häufig oder langanhaltenden Stress, ohne die dazu passende und notwendige Erholung, kann unsere psychische und physische Gesundheit massiven Schaden nehmen.
Chronischer Stress kann zu Burnout führen – einem Zustand von tiefgehender emotionaler, körperlicher und geistiger Erschöpfung. Aber auch Depression, Herz- Kreislauf-Probleme und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes Typ 2 können die Folge sein.
Auch wenn sich bereits Symptome einer Überlastung zeigen, ist es für eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Stressprozess nie zu spät.
Für nachhaltige, positive Veränderungen ist eine umfassende Analyse hilfreich. Dabei ist zentral, dass es keine Einheitslösung gibt, die für alle stimmt. Je nach Person, ihrer Geschichte und Situation unterscheidet es sich stark, welche Elemente des Stressprozesses (Körpersignale, Ursachen oder Erholung) ausschlaggebend oder am dringendsten zu verändern sind.
Merke ich überhaupt, ob ich gestresst bin?
In der reizüberfluteten, schnelllebigen Welt wird es uns erschwert, die körperlichen Stresssymptome wahrzunehmen. Dabei ist die Wahrnehmung des eigenen Zustandes ein wichtiger Schritt, um entscheidungsfähig zu werden.
Durch gezielte Übungen und eine konkrete Auseinandersetzung mit den physiologischen Abläufen im Körper (z.B. der Wirkung von Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol) kann diese Wahrnehmung verbessert werden.
Wenn wir die Körpersignale von Stress wahrnehmen können, werden wir handlungsfähig:
Muss ich mich aus der Situation entfernen?
Brauche ich eine Pause?
Wie gestalte ich die nächste Woche, jetzt wo ich spüre, dass die vergangene zu stressig war?
Warum stresst mich, was mich stresst?
Diese Frage führt uns weg von der rein körperlichen Reaktion hin zur Ursachenforschung und zum Verständnis des Gesamtprozesses.
Mit dem Ziel, Klarheit über die eigenen Gedankenmuster oder Glaubenssätze zu erlangen, werden wiederkehrende Stresssituationen aus allen Perspektiven beleuchtet. Nicht immer können wir die externen Stressoren ändern, aber wir können lernen, anders darauf zu reagieren. Dies ist dann besonders sinnvoll, wenn innere Antreiber wie ‘ich muss es allen recht machen’ oder ‘ich darf keine Fehler machen’ unsere Stresssituationen massgeblich beeinflussen.
So bietet sich die Möglichkeit, gezielt an den inneren Antreibern oder hinderlichen Gedankenmustern zu arbeiten. Dabei ist es wichtig, dass wir diese nicht kraftvoll unterdrücken, sondern ihnen freundschaftlich ein passendes Plätzchen in unserem Dasein geben können.
Ein Hinweis zur Sensibilität: Die Frage ‘ist das alles wirklich so stressig oder bin ich einfach zu sensibel?’ treibt viele Menschen um. Es gibt keine Pauschalantwort. Vielmehr ist es wichtig, Personen so zu unterstützen, dass sie selbst entscheiden können und handlungsfähig bleiben.
Manchmal geht es schlicht darum, klar und selbstbewusst sagen zu können: "Es ist zu viel."
Selbstoptimierung ist nicht immer die Antwort. Wir müssen nicht alles aushalten.
Ist der Stress zu viel - oder die Erholung zu wenig?
Die Auseinandersetzung mit dieser Frage kann komplexer sein, als es den Anschein hat. Nur den Stress zu reduzieren, reicht in vielen Fällen nicht aus, wenn zusätzlich keine richtige Erholung stattfindet. Auch wenig Stress ist schädlich, wenn er sich summiert. Für den Erhalt unserer Gesundheit ist es wichtig, dass wir uns ausreichend von Stress erholen.
Bei massiver Stressbelastung ist es sogar sehr wichtig, dass man der betroffenen Person schnell viel Erholung ermöglicht.
Wenn wir uns mit dem Thema Erholung auseinandersetzen, geht es darum, herauszufinden, welche Art von Pause wirklich regenerierend ist und wann. Auch dies ist individuell.
Dabei begegnen wir eventuell tieferliegenden Ängsten (z.B. "ich will nicht als faul wahrgenommen werden") oder Glaubenssätzen (z.B. "Ich habe mir Erholung gar nicht verdient"), welche uns an einer guten Erholung hindern können. Mit einer solchen Erkenntnis werden wir wiederum entscheidungsfähig, um die Hindernisse beiseite zu räumen und gefundene Themen aufzuarbeiten.
Wo fange ich an, wo brauche ich Hilfe?
Der Stressprozess ist individuell und somit auch der passende Umgang damit. Ratgeber und Workbooks gibt es unzählige und hier hilft die Regel: Nach dem neugierigen Ausprobieren immer gut darauf achten, ob die Übung oder der Ratschlag wirklich passend war. Für alle (aber ganz besonders für ‘Kopfmenschen’) ist es sehr wichtig, gut in Kontakt mit dem Körper und den Körperempfindungen zu kommen und sich darin zu üben.
Der individuelle Weg zur Stresskompetenz kann über verschiedene Angebote führen:
Kurse und Veranstaltungen: Angebote rund um dieses Thema findest du hier.
Persönliche Begleitung: Für eine individuelle Begleitung in Form von Beratung/Coaching, kann man mich kontaktieren oder direkt einen Termin buchen.
Bei anhaltenden oder oft wiederkehrenden Beschwerden wie Schlafstörungen, Herzrasen, Hyperventilation oder bei stark depressiver Symptomatik (keine Lebensfreude, das Bett nicht mehr verlassen, Suizidgedanken) wird empfohlen eine ärztliche Fachperson aufzusuchen.
Das Burnout oder Burnout-Syndrom wird als Prozess betrachtet. Es entwickelt sich über einen längeren Zeitraum, indem die Erholung von der täglichen Stressbelastung in der Summe nicht ausreichend ist. Es bringt primär folgende Charakteristiken mit sich:
•(emotionale) Erschöpfung
•Dissoziation und Zynismus
•vermindertes Vermögen Dinge zu erreichen/erledigen
Die Symptomatik ist individuell und vielfältig und kann sich mit der Zeit verschlimmern, bis es zum Zusammenbruch oder zu massiven gesundheitlichen Problemen kommt. Die Übergänge von einem „leichten“ Burnout-Syndrom bis hin zu psychotischen Störungen sind dabei fliessend.
Bild in Anlehnung an Xhantoupolou und Meier 2014, und Hochstrasser 2024
Auch wenn sich Burnout häufig im Arbeitskontext bemerkbar macht, ist es wichtig, einen Blick auf andere Lebensbereiche zu werfen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich in vielen Fällen, dass es mehrere stressende oder erschöpfende Umstände im Leben einer von Burnout betroffenen Person gibt.
Da ein Burnout entsteht, wenn wir uns nicht ausreichend von Stress erholen können, ist es lohnenswert, sich auch mit Stress aus anderen Lebensbereichen auseinander zu setzen. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, kann man dafür ein Einteilung von Lebensbereichen zu Rate ziehen und sich pro Themenbereich überlegen, wie hoch das Stress-Level oder Erholungs-Level ist (respektive: war).
Trotz Präventionsmassnahmen lassen sich nicht alle Burnout-Fälle verhindern.
Die Anzahl Betroffener ist hoch und die Tendenz steigend (siehe z.B. Stressreport Deutschland 2024).
Sicherheitsrisiken (z.B.: an Burnout erkranktes Gesundheitspersonal weist eine verminderte Arbeitsqualität auf, was ein Sicherheitsrisiko für Patient:innen ist, Studie von Shalaby et al. im 2024)
Je besser das gesamte Umfeld über Burnout informiert ist, desto besser kann die betroffene Person unterstützt werden.
Wirtschaftliche Folgen der krankheitsbedingten Ausfälle: Gemäss Schätzung der WHO entstehen jährlich Kosten von über 120 Milliarden US-Dollar allein in Europa und Nordamerika.
Je früher eine betroffene Person die richtige Hilfe und Unterstützung erhält, umso schneller und höher sind die Erholungschancen. Das bedeutet: Das Risiko von folgeschweren gesundheitlichen Problemen und die wirtschaftlichen Folgen werden damit reduziert.
Die beste Chance auf eine erfolgreiche Reintegration in die Arbeitswelt, nach krankheitsbedingtem Ausfall wegen Burnout, bestehen dann, wenn auch Massnahmen am Arbeitsplatz ergriffen werden.
Nicht alle Massnahmen sind für alle Betroffenen erfolgreich: je mehr Wissen/Auswahl, desto mehr Erfolg.
Egal ob zur Prävention, bei Früherkennung oder zur Behandlung von Burnout: Die meisten Massnahmen eignen sich für jede Phase.
alphabetisch
Hochstrasser, B. (2024). Burnout und Erschöpfungsdepression (1. Aufl.). Hogrefe.
Shalaby, M., ElSheikh, A. M., Hamed, H., & SURG-S. A. T.-19 Collaborative Group. (2024). Correc-tion: Burnout among surgeons before and during the SARS-CoV-2 pandemic: an international survey. BMC Psychology, 12(1), 110. https://doi.org/10.1186/s40359-024-01577-0
Xanthopoulou, D., & Meier, L. L. (2014). Daily burnout experiences. In Burnout at Work (1. Aufl., S. 80–101). Psychology Press.